Publication date: 08 September 2022 - 08:30

Eine kürzlich vorgenommene Untersuchung des ‚Milchmädchens‘ vorbereitend zu der großen Vermeer-Schau des Rijksmuseums im Frühling 2023 hat eine Reihe sensationeller Änderungen in dem Gemälde ans Licht gebracht. Dank der neusten Forschungstechniken wurde ein Regal mit Kannen hinter dem ‚Milchmädchen‘ entdeckt. Im Vordergrund scheint anfangs ein Feuerkorb gestanden zu haben. Die Objekte wurden später von Vermeer selbst übermalt. Zum ersten Mal ist auch eine deutliche Unterzeichnung mit schwarzer Farbe erkennbar. Die kürzlich durchgeführte Untersuchung bietet hiermit einen enthüllenden Einblick in Vermeers Arbeitsweise und seine Suche nach der perfekten Komposition.

Dies vermittelt einen überraschenden eindruck seiner künstlerischen entscheidungen. So sorgt das übermalen des regals mit kannen und des feuerkorbs für mehr ruhe und stille in dem raum des milchmädchens. Nichts lenkt mehr von ihrer konzentrierten beschäftigung ab.

Taco Dibbits, Generaldirektor Rijksmuseum

Neue untersuchungen *des milchmädchens *

In den Vorbereitungen zur Vermeer-Schau nimmt ein Team aus Kuratierenden, Restaurierenden und Forschenden des Rijksmuseums in enger Zusammenarbeit mit dem Mauritshuis und der Universität von Antwerpen, Untersuchungen an Vermeer-Gemälden, worunter das Milchmädchen, vor. Eingesetzt werden dafür unter anderem die hochmoderne makroskopische Röntgenfluoreszenzabbildung (MA-XRF) sowie die Reflexions-Imaging-Spektroskopie (RIS), die vor Kurzem auch bei der ‚Operation Nachtwache‘, dem großen Forschungs- und Restaurierungsprojekt an Rembrandts ‚Nachtwache‘, angewendet wurden. .

Neue unterzeichnung

Dank neuer Forschungstechniken wurde eine deutliche Unterzeichnung auf Vermeers Milchmädchen erkennbar. Dieser aufsehenerregende Fund wirft neues Licht auf Vermeers Arbeitsweise. Traditionell geht man davon aus, dass der Maler mit seinem kleinen Œuvre langsam und äußerst sorgfältig vorging. Diese Auffassung wird nun korrigiert. Unter dem linken Arm des Milchmädchens ist ein eilig aufgebrachter dicker Strich schwarzer Farbe erkennbar. Diese Skizze verdeutlicht, dass Vermeer seine Darstellung zunächst schnell in hellen und dunklen Tönen zeichnete, bevor er die Details weiter ausarbeitete.

Gregor J.M. Weber, Abteilungsleiter Bildende Kunst Rijksmuseum

Vermeers Maltechnik war immer schon etwas rätselhaft. Wie hat er dieses Wunder aus Licht und Farbe zustande gebracht? Die Entdeckung einer ersten Vorzeichnung in schwarzer Farbe bietet uns nun viel mehr Einblick in seine Arbeitsweise.

Regal mit Kannen

Indem die Ergebnisse der neusten Forschungstechniken miteinander verglichen werden, stellt sich nun heraus, dass Vermeer auch ein Regal mit einigen Kannen an der Wand hinter dem Kopf der jungen Frau in schwarzer Farbe vorzeichnete. Anschließend arbeitete er dies nicht weiter aus. Ein Regal mit Kannen, auch als Kannenbrett bezeichnet, war ein Brett mit Haken, woran in Küchen des 17. Jahrhunderts mehrere Tonkannen an ihren Henkeln aufgehängt wurden. Aus dem Inventarverzeichnis von Vermeer wissen wir, dass sich solch ein Brett in einer Nebenküche befand. Eine Miniaturversion solch eines Kannenbretts ist auch in dem Puppenhaus von Petronella Oortman (c. 1690) im Rijksmuseum zu sehen.

Feuerkorb

Dank der kürzlich durchgeführten Untersuchung verfügen wir jetzt auch über wesentlich schärferes Bildmaterial. So ließ sich der schon zuvor unten rechts im Gemälde entdeckte Korb nun als sogenannter Feuerkorb identifizieren. Diese aus Weidenruten hergestellte Korbart gehörte im 17. Jahrhundert als fester Bestandteil zum Inventar junger Familien. In einen Feuerkorb wurde ein Kohlenbecken oder eine Schale mit glühenden Kohlen gestellt, als tragbare Heizkörper für Wöchnerinnen, worauf sie gleichzeitig die Windeln ihrer Babys trocknen konnten.
Aus Vermeers Inventarverzeichnis geht hervor, dass auch in seinem kinderreichen Haushalt ein Feuerkorb vorhanden war. Vermeer ersetzte den Feuerkorb später mit einer Feuerkieke, den ‚Delfter-Blau-Fliesen‘ und dem Fußboden.

Ticketverkauf Vermeer-Ausstellung

Am 8. September startete der Ticketverkauf für die Vermeer-Schau, die vom 10. Februar bis zum 4. Juni 2023 im Rijksmuseum zu sehen sein wird. Zum ersten Mal wird das Rijksmuseum eine monografische Ausstellung über Vermeer präsentieren. Mit mindestens 27 Gemälden aus aller Welt - aus einem Œuvre von etwa 35 - verspricht dies die bislang größte Vermeer-Ausstellung zu werden. Aufgrund des erwarteten nationalen und internationalen Interesses beginnt der Ticketverkauf schon frühzeitig. Für die Ausstellung steht eine begrenzte Anzahl Tickets zur Verfügung, die sich nur über die Website des Rijksmuseums buchen lassen: rijksmuseum.nl/vermeer.

Ermöglicht wird die Vermeer-Ausstellung dank der Unterstützung von Ammodo, Blockbusterfonds, Rijksmuseum Fonds, Rijksmuseum International Circle, Rijksmuseum Patronen and Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft

Stories

Sehen Sie sich hier das Video an, in dem die Ergebnisse von Anna Krekeler, Forscherin und Gemälderestauratorin, erklärt werden.

Oder tauchen Sie selbst in die SWIR-Aufnahme ein und vergleichen Sie sie mit des Milchmädchens.

Downloads

Laden Sie hier das Bildmaterial der Vermeer-Ausstellung herunter.